Der Philosoph Walter Patt ist, wie ich erst jetzt erfuhr, im Oktober verstorben. Mit Jünger stand Patt seit 1975 im Austausch. Viele Briefe gingen von Bonn nach Wilflingen und von Wilflingen nach St. Augustin. Patt besuchte Jünger (Jünger spendierte das Zimmer im ‚Löwen‘), man sah sich bei Jüngers Schwägerin in Bad Godesberg. Die Korrespondenz befasste sich mit Nietzsche, immer wieder Heidegger und „Der Arbeiter“. Patt war Privatdozent an der Johannes-Gutenberg-Universität zu Mainz.
Ich blättere in den Briefen EJs an Patt und finde diese Zeilen, die ein guter Nachruf sind:
Agadir, 23.1. 1977
Lieber Walter Patt,
(…) Ich lese jetzt die sechs Bände des hand- schriftlichen Nachlasses von Schopenhauer. (Wenn
ein Geist von überlegener Intelligenz auftaucht,
werden sich alle Dummköpfe gegen ihn zu- —>
->sammen tun. Das Schicksal steht auch Ihnen
bevor, wenn Sie sich nicht zurückhalten.)
herzlich Ihr Ernst Jünger
[Original in Sammlung T. Wimbauer, (c) tw]
~
PS. Wir kannten uns nur brieflich und vom Telephon. Das Telephon stand beim Nachbarn im Studentenwohnheim. Vielleicht wusste der gar nicht, dass Patt dort telephonierte. Walter Patt war ein feiner Mensch am Telephon, wir haben uns gut verstanden. 54 ist doch kein Alter. Ich hätte gern noch ein paar Mal mit ihm telephoniert.
r.i.p. lieber walter patt
Hallo Herr Wimbauer,
bin völlig schockiert. Google mal wieder rum, weil ich hier einen Brief von Walter Patt bei mir gefunden habe. Er war auf dem Gymnasium mein Nachbar, ich war lange mit ihm befreundet. Er hat mich mit seinen Kenntnissen total fasziniert. Wir sind sehr oft samstags gemeinsam zur Buchhandlung Bouvier nach Bonn gefahren, wo er neue Bücher gekauft hat. Als ich das Gymnasium verlassen habe, habe ich eine Ausbildung in einem Verlag gemacht und er hat mir seitenweise Bücherlisten geschickt, die ich dann mit Verlagsrabatt eingekauft habe. Leider hatte ich den Kontakt verloren und jetzt beim Aufräumen finde ich einen Brief. Ich kann gar nicht glauben, dass er schon gestorben ist. Wissen Sie noch mehr?
Sehr geehrter Herr Friedrich,
falls Sie dies lesen nehmen sie bitte Kontakt mit mir auf:
AliceSchrass@googlemail.com
Meine Mutter teilte mir mit, dass Walter ihren Namen mehrfach erwähnte.
Sie kann Ihnen auch weitere Auskünfte erteilen.
Mit freundlichem Gruß Alice sShraß
Lieber Tobias Wimbauer, endlich finde ich mal einen Anlaß, Ihnen einen Kommentar zu hinterlassen. Es betrifft den gescannten Brief zu diesem Beitrag. War es etwa eine liebenswerte Narrheit Jüngers, sein Briefpapier, nachdem er es datiert hatte, umzudrehen, um es dann von unten an zu beschreiben? Das amüsiert mich gerade, weshalb ich die Gelegenheit nutzen will, Sie danach zu fragen. Gruß, ein freundlicher Blog-Leser.
Lieber Blog-Leser, Dank für Ihren Kommentar. Eine Narrheit Jüngers war das nicht. In diesem Fall war es nur so, dass bereits beide Seiten des Briefbogens beschrieben waren und nur noch diese 2-3 Zeilen druntersollten. Im Urlaub sind die mitgeführten Briefbögen offensichtlich nicht so zahlreich gewesen, weswegen Jünger wohl kurzerhand über dem Briefkopf, wo noch etwas Platz war, weiterschrieb. Das ist der erste und einzige Fall des Umdrehens/Weiterschreibens, den ich bei hunderten Briefen Jüngers bislang gesehen habe. Viele Grüsse, TW
Für die Papierknappheit spricht auch das, im Wortbild zitierte „zu- —> ->sammen tun.“ (Seitenwechsel/Umdrehen). Das fällt mir jetzt erst auf, wo Sie es sagen.
Zugegeben: an sich ist es auch etwas naiv, davon auszugehen, daß Jünger schon vor dem Schreiben wußte, wie lang der Brief wird, um Datierung und Unterschrift so nah und kunstvoll zueinanderbringen bringen zu können. Mir fiel das aus einer surrealen Betrachtungsweise heraus auf.
Herzlichen Dank,
FjM.
… die beiden Pfeile sind in der Tat ulkig. Ich habe mir eben den Brief noch einmal angesehen: an den Rand der zweiten Seite hätte Jünger gar nicht schreiben können, weil er bei diesem Brief die Seitenränder komplett ausgenutzt hat. … tw
Lieber Tobias Wimbauer,
Ich möchte ihnen hiermit herzlich
für den sehr passenden Nachruf danken.
Auch wenn Herr Patt sicherlich vielen namhaften
Mainzer Philosophen wenig oder auch überhaupt
nicht in den Kram gepasst haben, war er eine wichtige Bereicherung für das Institut.
Wir (leider sehr wenige) als Besucher seiner Vorlesung
wissen ihre Erwähnung sehr zu schätzen, da Walter Patt
verdient hat, als Philosoph wie als Mensch,
in Erinnerung zu bleiben!
Bessere Worte als ihre Zitate
können auch wir nicht für ihn finden.
Danke
Entschuldigung für Z. 7, hier fehl „mag“ vor dem Komma
Wir werden Walter alle sehr vermissen auch ich (wäre im Dezember seine Stieftochter geworden)!
Er lebte sein Leben ohne Kompromisse und blieb sich stets treu, dafür bewundere ich ihn noch heute!
I apologize for not knowing German well enough to write this in German.
I knew Walter when he was a professor at The Catholic University of America (in Washington, DC), and I was a mere lecturer. A fine gentleman with a keen intelligence and good humor. He had a wide range of interests–philosophy, history, music, and politics. He could discourse with great insight on Kant, Aquinas, Frederick the Great, and Ernst Junger—in the same conversation! I learned a lot from him. I was greatly saddened to hear of his death.
May Jesus grant you peace, Walter!
Dear Chris, thank you very much for your memories of Walter Patt. Yours, Tobias
Liebe Leser,
ich habe im Jahr 2000 mit dem Studium der Philosophie und Romanistik in Mainz begonnen und durfte die Vorlesungen von Herrn Patt noch erleben. Ein blitzgescheiter Mann mit einem riesigen Wissen. Leider sind viele mit seinem Eigensinn nicht zurecht gekommen. Er hatte mal in einem kleinen Verlag, dem Turnshare Verlag, eine Einführung zu Kant geschrieben, mit der ich mich auf das Examen vorbereitet habe – das beste und verständlichste Buch, das ich je zu Kant in der Hand hatte…
Es ist doch traurig, dass er so früh gestorben ist.
Möge er in Frieden ruhen!
Thomas D.
Like Chris Albrecht above, I took undergraduate classes (on Kant) with Walter at Catholic University of America, Washington, D.C., in 1989-90, as a sophomore. He was a kindly and friendly man. I have one story to tell. Sometime after the fall of Wall in November 1989, I invited him to have dinner at my parents‘ home in Washington, which he accepted. It must have been the Spring of 1990, since we sat outside on the patio in our backyard. Perhaps he was surprised that an undergraduate would extend this invitation but, as others have said, he accepted. My only distinct memory of that afternoon was that when we discussed the fall of the Wall, he became very emotional. Actually broke down and cried. We were all moved. I learned a lot from him and he was one of the reasons I pursued philosophy. I left Washington the following year and continued my studies in Edinburgh. We exchanged a few letters. He remained encouraging. After that, we lost touch. RIP Walter. Emile
Dear Emile, thank you for sharing your memories. Best, Tobias