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Posts Tagged ‘Daniel Kehlmann’

Lesefrüchte aus: Daniel Kehlmann, Die Vermessung der Welt (Reinbek 2008: Rowohlt Taschenbuch, 7. Auflage)

– „Seltsam sei es und ungerecht, sagte Gauß, so recht ein Beispiel für die erbärmliche Zufälligkeit der Existenz, daß man in einer bestimmten Zeit geboren und ihr verhaftet sei, ob man wolle oder nicht. Es verschaffe einem einen unziemlichen Vorteil vor der Vergangenheit und mache einen zum Clown der Zukunft.“ (S. 9)

– „In ein paar Jahren, sagte Eugen, werde das hier [Berlin] eine Metropole sein wie Rom, Paris oder Sankt Petersburg. Niemals, sagte Gauß. Widerliche Stadt!“ (S. 14)

– „Geschichten wisse er keine, sagte Humboldt (…). Aber er könne das schönste deutsche Gedicht vortragen, frei ins Spanische übersetzt. Oberhalb aller Bergspitzen sei es still, in den Bäumen kein Wind zu fühlen, auch die Vögel seien ruhig, und bald werde man tot sein.“ (S. 128)

– Sprachwissenschaft: „Das sei etwas für Leute, welche die Pedanterie zur Mathematik hätten, nicht jedoch die Intelligenz. Leute, die sich ihre eigene notdürftige Logik erfänden.“ (S. 159)

– „Nach Berlin? Humboldt lachte. Kein Mensch von Verstand könne diese greuliche Stadt sein Zuhause nennen.“ (S. 214)

– „Die Welt könne notdürftig berechnet werden, aber das heiße noch lange nicht, daß man irgend etwas verstehe.“ (S. 220)

– „Projekte, schnaubte Gauß. Gerede, Pläne, Intrigen. Palaver mit zehn Fürsten und hundert Akademien, bis man irgendwo ein Barometer aufstellen dürfe. Das sei nicht Wissenschaft. Ach, rief Humboldt, was sei Wissenschaft denn dann? Gauß sog an der Pfeife. Ein Mann allein am Schreibtisch. Ein Blatt Papier vor sich, allenfalls noch ein Fernrohr, vor dem Fenster der klare Himmel. Wenn dieser Mann nicht aufgebe, bevor er verstehe. Das sei vielleicht Wissenschaft.
Und wenn dieser Mann sich auf Reisen mache?
Gauß zuckte die Schultern. Was sich in der Ferne verstecke, in löchern, Vulkanen oder Bergwerken, sei Zufall und unwichtig. Die Welt werde so nicht klarer.“ (S. 247)

– „Gern hätte er ihm eine gute Rückkehr gewünscht, aber am Ende kam man nie gut zurück, sondern jedesmal ein wenig schwächer, und zuletzt gar nicht mehr.“ (S. 292)

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Sebastian Kleinschmidt: Ironie kann auch Machtgeste sein, Humor nie. Die Ironie spricht im Modus der Verstellung, die ist beim Humor nicht nötig. Bei der Ironie ist am Ende immer der Ironiker der Gewinner. Der Humorist hingegen operiert auf gleicher ‚Leidensebene‘ wie sein ‚Opfer‘, auch er gibt sich der Lächerlichkeit preis. Beim Ironiker ist das Risiko geringer. Er wird nur aufpassen, daß die Ironie verstanden wird.

Daniel Kehlmann: Wer sie nicht versteht, ist selber schuld.

Sebastian Kleinschmidt: Das heißt, das Risiko liegt beim Dummkopf

(Daniel Kehlmann / Sebastian Kleinschmidt: Requiem für einen Hund. Ein Gespräch. Berlin 2008: Matthes & Seitz, Seite 54 f.; ISBN 978-3-88221-735-3)

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