Marcel Reich-Ranicki äussert sich jüngst am Rande in der Sonntagsausgabe der FAZ zu Ernst Jünger (Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 23.11.2008, Nr. 47 / Seite 31). Er behauptet, er „glaube nicht, dass man Brecht mit Jünger vergleichen sollte. Man sollte zunächst einmal den Unterschied zwischen dem Kommunismus und dem Nationalsozialismus begreifen“:
FRAGEN SIE REICH-RANICKI
Lassen sich nicht ähnlich, wenn auch ideologisch anders eingefärbte Argumente gegen Brecht und sein Werk einführen wie gegen Jünger? Und wer liest noch mit feurigen Augen Brecht? Alfred Preisner, Frankfurt a. M.
Nein, ich glaube nicht, dass man Brecht mit Jünger vergleichen sollte. Man sollte zunächst einmal den Unterschied zwischen dem Kommunismus und dem Nationalsozialismus begreifen. Dass Brecht heute noch mit „feurigen Augen“ gelesen wird, dessen bin ich ganz sicher. Er ist, glaube ich, der größte deutsche Dichter des 20. Jahrhunderts.
Gelegentlich versucht man, Rilke gegen Brecht auszuspielen. Das ist in der Tat nur ein Spiel – und ein überflüssiges obendrein. Ich vermeide es, zu sagen, was von der deutschen Literatur des vorigen Jahrhunderts bleiben werde. Aber eine Ausnahme scheint mir doch zulässig. Und es gibt nur eine Ausnahme: eben Brecht.
Warum nicht vergleichen? Helmuth Kiesel hat das im November 2002 beim Marburger Jünger-Symposion gemacht, und das mit Gewinn. Ich notierte damals:
„Helmuth Kiesel (Heidelberg) untersuchte in Hinblick auf die gängigen Vorurteile ausgewählte Texte von Bertolt Brecht und Jünger und kam zu dem Ergebnis, daß die Klischees, etwa das der Forderung nach unbedingter Opferbereitschaft und das der Martialität eher bei Brecht denn bei Jünger zu finden sei. Kiesel ging von der ähnlichgelagerten Situation in Jüngers „Steg von Masirah“ (eingegangen in „Heliopolis“, 1949) und in Brechts „Schulopern“, „Der Jasager“ und „Der Neinsager“, aus: In Jüngers „Steg von Masirah“ ging es um die ethische Fundierung einer Entscheidungsfindung in ausweglos erscheinender Situation. Zwei Karawanen begegnen sich in der Mitte eines so schmalen Steges, daß kein Aneinandervorbeikommen möglich ist. Während bei Brecht der Wille zum Opfer bzw. die Rettung durch den „freiwilligen“ Tod im Vordergrund steht, bevorzugt Jünger die salomonische, die ökonomische Lösung, wobei, wie Lorenz Jäger (FAZ) in der Diskussion anmerkte, dies auch Ausdruck der Hoffnung Jüngers auf einen Verhandlungsfriede sein könnte, als er 1942/44 den „Steg von Masirah“ konzipierte. Trotz des hohen Stellenwerts, den Jünger dem „Opfer“ beimaß, ergab sich für ihn nicht die Brechtsche Verknüpfung des Opfers zur logischen Folgerung aus einer Ausnahmesituation, die zwangsläufig sei. Brechts „Schulopern“ wurden mit Aufführungsverbot belegt, indes Jüngers „Steg von Masirah“ in der frühen Bundesrepublik Thema von Abitursaufsätzen war. “
Der andere – implizite – Vergleich MRRs ( Brecht Kommunist, Jünger Nazi, also nicht vergleichbar ) ist mir zu doof, da erübrigt sich der Kommentar.
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